Nordkai - kurze Chronik

1. Ursprung und Konzept

Die Noordkai GmbH wurde 2014 mit dem Ziel gegründet, das Grundstück Zum Nordkai 6 im Emder Industriehafen einer wirtschaftlich, kulturell und sozial sinnvollen Nutzung zuzuführen. Das Konzept sah eine schrittweise Entwicklung nach dem Prinzip „testen, anpassen, verbessern“ vor – ein Vorgehen, wie es im Startup-Bereich üblich ist.

Ab 2015 liefen die ersten Aktivitäten erfolgreich an. Die Fläche wurde als temporäre Event- und Lagerfläche, zur Vermietung von Wohnwagen als einfache Übernachtungsmöglichkeit sowie als Gastronomiefläche mit mobilem Verkaufswagen genutzt. Die Resonanz war positiv; das Konzept erwies sich als tragfähig.

Nach Jahren des Studiums, der Arbeit und des Lebens außerhalb Ostfrieslands war die Gründung der Noordkai GmbH auch eine persönliche Rückkehr. Sie bedeutete die Möglichkeit, nach über fünfzehn Jahren in die Heimatstadt zurückzukehren und dort zu leben – nicht als Rückzug, sondern als bewusste Entscheidung, etwas aufzubauen, das Bestand haben sollte.

Die Idee war mehr als ein Geschäftsplan. Sie war ein Versuch, die Region durch unternehmerisches Handeln wieder zu beleben, junge Menschen zu binden, Arbeitsplätze zu schaffen und zugleich eine Form von Lebensqualität zurückzugewinnen, die sich aus Nähe, Eigenständigkeit und Sinn ergibt.

Auch die ersten Mitarbeiter, die sich dem Projekt anschlossen, taten das nicht aus kurzfristigem wirtschaftlichem Interesse. Viele waren ideologisch überzeugt, teilten die Vorstellung, dass aus dem Hafen etwas Neues entstehen könne – etwas, das Arbeit, Gemeinschaft und Freiheit auf neue Weise verbindet.

Als die Stadt 2015 die Nutzung untersagte, traf das nicht nur ein funktionierendes Konzept, sondern auch ein Stück Idealismus. Die Enttäuschung war groß – nicht nur wirtschaftlich, sondern menschlich. Viele derjenigen, die geglaubt hatten, hier etwas Dauerhaftes aufzubauen, mussten ihre Pläne aufgeben.

Mit Bescheid aus dem Jahr 2015 untersagte die Stadt Emden die Nutzung des Grundstücks vollständig. Die Begründung lautete auf das Fehlen einer Baugenehmigung und die formale Unzulässigkeit der bisherigen Nutzung.

Trotz der Stilllegung hielt die Gesellschaft an der Zielsetzung fest, eine baurechtlich gesicherte, nachhaltige Nutzung zu etablieren.

2. Verfahren und Stillstand

In den Folgejahren wurden mehrere Bauanträge eingereicht, mit dem Ziel, eine formelle Genehmigung für die tatsächliche Nutzung zu erhalten.

Die Anträge führten jedoch nicht zur Genehmigung, sondern lösten wiederholte Nachforderungen und neue Verfahren aus. 2019 erließ die Bauaufsichtsbehörde eine zweite Nutzungsuntersagung, diesmal mit dem ausdrücklichen Hinweis auf „fehlende Genehmigungsfähigkeit“ sämtlicher Nutzungen.

Im Juni 2020 folgte ein Widerspruchsbescheid und ein Vollstreckungsbescheid.

Die Noordkai GmbH erhob daraufhin Klage vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg. Das Verfahren zog sich über mehrere Jahre hin. Währenddessen blieb das Grundstück faktisch stillgelegt – alle wirtschaftlichen Aktivitäten mussten eingestellt werden, geplante Investitionen ruhten.

Die Phase von 2015 bis 2024 bedeutete einen nahezu vollständigen Stillstand des Projekts, verbunden mit erheblichen wirtschaftlichen Verlusten und Folgekosten.

3. Entscheidung und Wiederaufnahme

Am 31. Januar 2025 stellte das Verwaltungsgericht Oldenburg (Az. 4 A 1785/20) in öffentlicher Verhandlung fest, dass die Nutzungsuntersagung und deren Vollstreckung rechtswidrig waren. Das Gericht erkannte Ermessensfehler, eine fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung sowie einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot.

Die Stadt Emden hob daraufhin den Bescheid auf und übernahm die Kosten des Verfahrens.

Damit wurde die ursprüngliche, 2015 unterbundene Nutzung in ihrem Grundsatz rehabilitiert. Der Beschluss schafft die Grundlage für eine erneute, rechtssichere Entwicklung des Geländes auf Basis des aktuellen qualifizierten Lageplans.

Die Noordkai GmbH setzt damit die ursprüngliche Zielsetzung fort – mit neuen rechtlichen Voraussetzungen, aber derselben Grundhaltung: eigenständig, verantwortungsvoll und auf langfristige regionale Wirkung ausgerichtet.

Nach dem Verwaltungsgerichtsurteil 2025 wurde erneut ein Bauantrag gestellt, mit dem Ziel, nun eine klare und verbindliche Grundlage für die zukünftige Nutzung zu schaffen. Trotz des eindeutigen gerichtlichen Befunds sieht es derzeit jedoch so aus, dass das Bauamt erneut keine Baugenehmigung erteilen wird.

Es werden zahlreiche Nachforderungen gestellt, von denen einige bereits Gegenstand des Verwaltungsgerichtsbeschlusses waren und dort ausdrücklich als rechtsfehlerhaft oder unbeachtlich erkannt wurden. Damit droht sich das Verfahren zu wiederholen – ein Zeichen dafür, dass die inhaltliche Auseinandersetzung um die Nutzung des Grundstücks Zum Nordkai 6 auch nach dem gerichtlichen Erfolg noch nicht beendet ist.

Von der Rechtsebene zur Haltung

Doch jenseits der juristischen Klärung bleibt eine andere Ebene bestehen – eine, die mit Paragrafen allein nicht zu lösen ist. Wenn sich eine Verwaltung selbst nach eindeutigen gerichtlichen Entscheidungen weigert, Recht anzuerkennen, wenn Fehler nicht korrigiert, sondern wiederholt werden, dann geht es längst nicht mehr um Formalien, sondern um Haltung.

Die Noordkai GmbH steht in diesem Punkt nicht als Klägerin, sondern als Prüfstein. Sie hält fest, wo andere aufgeben würden, und sie bleibt sichtbar, wo andere sich fügen.

Denn das, was hier geschieht, ist mehr als ein Verwaltungsverfahren – es ist der Versuch, wirtschaftliche und persönliche Existenz an einem Ort systematisch zu ersticken, an dem sie nach Recht und Vernunft längst wieder möglich wäre.

Dass die Noordkai GmbH dennoch weitermacht, liegt nicht an Starrsinn, sondern an Überzeugung. Sie steht für das Prinzip, dass Recht nicht vom Wohlwollen der Mächtigen abhängen darf und dass eine Verwaltung, die Fehler deckt, ihre Legitimation verliert.

Dieser Text richtet sich auch an jene, die glauben, unbeobachtet handeln zu können – an die, die im Schutz der Hierarchie agieren, die Verantwortung nach oben weiterreichen oder sie nach unten abwälzen. Sie mögen heute das Visier gesenkt tragen, doch eines Tages werden sie es heben müssen.

Bis dahin wird die Noordkai GmbH weitermachen. Nicht, weil sie es muss, sondern weil sie es will – weil jede Beharrlichkeit, jeder Schritt, jede Handlung sichtbar macht, wer den Widerstand wirklich trägt und wessen Interessen er schützt.

Und genau darin liegt die eigentliche Bedeutung dieses Falles: Er ist ein Spiegel der Zeit.

Die Geschichte der Noordkai GmbH steht exemplarisch für den Zustand einer Gesellschaft, in der Vertrauen in öffentliche Institutionen schwindet, weil Entscheidungen immer weniger nachvollziehbar und Verantwortung immer seltener greifbar ist.

Intransparenz erzeugt Orientierungslosigkeit, Orientierungslosigkeit nährt Misstrauen, und Misstrauen führt zu politischer Entfremdung.

So entstehen jene Brüche, die sich in Populismus, Wut und Resignation äußern – und in dem verzweifelten Versuch, wenigstens symbolisch gegen ein System aufzubegehren, das als unantastbar gilt, selbst wenn es sich längst selbst überlebt hat.

Der Fall Noordkai zeigt, dass Widerstand auch anders aussehen kann: nicht laut, nicht zerstörerisch, sondern standhaft, in der Überzeugung, dass Wahrhaftigkeit und Beharrlichkeit die einzigen Mittel sind, mit denen Veränderung beginnt.

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